Dienstag, 10. April 2018

Monat 6 - Jeguata

Sonnenuntergang über den Außenbezirken von Buenos Aires
Sooo... mit großen Schritten nähern wir uns der Aktualität. Hier kommt der Januar! Der stand ganz im Zeichen des Reisens (jeguata auf Guaraní):

Kaum aus Fram wieder zurück, ging es für mich schon auf den nächsten Wochenendtrip. Das AFS-Komitee aus Asunción hatte für Freiwillige, Austauschschüler sowie deren Gastfamilienmitglieder einen Ausflug zur "Fiesta hawaiana" in Pilar angeboten. Mit einer ziemlich großen Gruppe machten wir uns also auf den Weg, aber da wir uns alle viel zu erzählen hatten und es zudem sehr spannend war, die anderen Austauschschüler aus Kanada, Italien, den Niederlanden, Belgien und den USA noch ein bisschen besser kennenzulernen, verging die sechstündige Busfahrt sehr schnell.
Trotz der Tatsache, dass wir eigentlich fast nur unterwegs waren, habe ich mir an diesem Tag den ersten richtigen Sonnenbrand geholt - was aber dafür, dass ich schon sechs Monate hier bin, eine ziemlich gute Quote ist, finde ich zumindest.

Gruppenbild vor typischer Landschaft




Die Fiesta hawaiana war zwar bis auf zwei Hula-Tänzerinnen und einer Unmenge an verkauften Blumenkettchen gar nicht so hawaianisch, aber hat trotzdem Spaß gemacht. Die Organisation des Festes habe ich aber doch spätestens ab dem Punkt in Frage gestellt, ab dem wir relativ dringend nach Hause mussten, es aber in ganz Pilar um Mitternacht nicht ein Taxi aufzufinden war und wir so lange Autos anhalten mussten, bis uns ein freundlicher junger Mann, dem ich bis heute unglaublich dankbar bin, auf seiner Mofa zum Haus gefahren hat.

Platz im Zentrum von Buenos Aires
Mitte Januar sind wir mit meiner Gastmama und zwei Gastschwestern nach Buenos Aires geflogen. Der ursprüngliche Grund der Reise war ein Arztbesuch meiner kleinen Gastschwester. Die Arztversorgung in Asunción ist zwar verhältnismäßig gut, jedoch mangelt es gerade bei nicht ganz typischen Krankheiten an Spezialisten, sodass die Familien, die es sich leisten können, für diese Art Arztbesuche nach Argentinien reisen. Mit Flug, Unterkunft und Arztkosten kommen da schon ordentlich Kosten zusammen, die man, wenn man Pech hat, mehrmals im Jahr aufbringen muss. Eine Woche vor uns ist schon meine große Gastschwester zu ihrem Arzt nach Buenos Aires gereist.
Es sind solche Situationen, die mich auf der einen Seite sehr traurig und wütend machen, dass so etwas nötig ist und den Menschen im eigenen Land nicht die nötige ärztliche Versorgung gewährleistet werden kann. Auf der anderen Seite lassen sie mich sehr dankbar dafür sein, dass in Deutschland Krankheiten meistens problemlos behandelt werden können, mich fast überall im Notfall ein Krankenwagen abholen könnte, und es selbstverständlich ist, eine Krankenversicherung zu besitzen.

Jedenfalls bin ich sehr froh, dass meine Gastfamilie mich mitgenommen hat und ich so die Möglichkeit hatte, auch die Hauptstadt Argentiniens einmal kennenzulernen. Einen Tag haben wir uns das Zentrum von Buenos Aires angeschaut.

Das "Wahrzeichen" Buenos Aires' - Buchsbaumbuchstaben und Obelisk
Nach fünf Tagen ging es wieder nach Hause - gerade noch rechtzeitig, da ich mir am letzten Tag eine ordentliche Magen-Darm-Infektion eingefangen hatte. Der Rückflug war dementsprechend bescheiden, aber letzendlich sind wir wieder gut gelandet und nach einer Woche ging es mir auch schon wieder gut. 

Ansonsten habe ich in Asunción zusammen mit meiner Ansprechpartnerin von AFS ein Literaturcafé entdeckt,

El Café Literario
Sonnenuntergang über dem Pool des Sportclubs
 und mit Zumba angefangen. In Asunción gibt es viele Sportclubs, mehr oder wenig große Anlagen, in denen man nach Anmeldung alle möglichen Arten von Sport machen kann. Der, wo ich jetzt Zumba mache, ist riesengroß und bietet von Schwimmen über Tennis bis Rollschuhlaufen eigentlich alles an. Es gibt sogar ein Badmintonfeld. Außerdem hat der Club Internacional de Tenis ein extra Programm für Austauschschüler, die die Aktivitäten kostenlos nutzen können, wenn ein Gastfamilienmitglied schon Mitglied des Clubs ist.
Und auch wenn ich mich an lateinamerikanische Hüftschwünge noch gewöhnen muss, macht es riesig viel Spaß, noch einen weiteren neuen Sport auszuprobieren. 





Freitag, 2. März 2018

¡Felices Fiestas!



Vy'apavē Arareñóire - nachträglich noch fröhliche Weihnachten und ein erfülltes Jahr 2018! 
Weihnachten ist ja auch immer die Zeit, einmal Danke zu sagen und deshalb möchte ich mich nochmal bei allen Spenderinnen und Spendern bedanken, die mir Dank finanzieller Unterstützung dieses Jahr überhaupt ermöglicht haben. 

Weihnachten wollten wir ursprünglich bei meiner Gasttante in Ñemby, etwa 15km von Asunción weg, verbringen, aus Platzmangel haben wir die Feierlichkeiten dann aber doch zu uns nach Hause verlagert. Den Tag des 24.12. haben wir also damit verbracht, Unmengen an Essen zuzubereiten, nachdem wir am Tag davor alles eingekauft und ich die ersten Weihnachtslieder dieses Jahres im Supermarktradio gehört habe.

Mein Beitrag bestand aus torta de queso, Käsekuchen, was jetzt zwar kein typisches Weihnachtsgebäck ist, aber trotzdem etwas, was in meiner Familie sehr mit Deutschland in Verbindung gebracht wird. Zutatenmäßig musste ich ein bisschen improvisieren, Quark scheint eine wirklich nur in Deutschland vorhandene Zutat zu sein und Gries war auch nicht zu finden, aber Schmand (sogar mit deutscher Packungsbeschriftung), kann man im Supermarkt kaufen.


Insgesamt gibt es hier von Backmischungen über Studentenfutter bis Ritter Sport Schokolade relativ viele deutsche Sachen auch zu kaufen - nur eben entsprechend teuer. Ich habe sogar letztens eine Deutsche Bäckerei entdeckt. Da gab es BROT, das war richtig toll.
Letztens war ich mit einem Mitfreiwilligen in einem "German Outlet Shop"... Der bestand aber leider wirklich nur aus meterweise Bierregalen, einer Fleischtheke und ein paar Gläsern Penny-Gewürzgurken, da muss sich auch niemand mehr wundern, woher die ganzen Vorurteile kommen. Bis jetzt bekam ich auch auf jeder Geburtstagsfeier ein erstauntes "Wie, du bist Deutsche und trinkst kein Bier?!" zu hören, aber es soll ja bekanntlich auch Paraguayer geben, die keinen Tereré trinken. 

Jetzt aber zurück zu Weihnachten. Heiligabend haben sich Tanten, Onkel, Grosseltern und eine befreundete Familie bei uns eingefunden. Zusammen haben wir draussen unter dem Vordach Tische und Stühle aufgebaut, Luftballons und Lichterketten angebracht, Musik angemacht (allerdings keine Weihnachtslieder) und später zusammen gegessen.

Um Mitternacht haben wir uns alle umarmt, "Feliz Navidad" gewünscht und haben das Feuerwerk der Nachbarn bestaunt, allerdings von unter dem Vordach aus, da einige Leute auch mit Pistolen in die Luft schiessen, um Weihnachten bzw, später auch das neue Jahr willkommen zu heissen. 
Einer meiner Gastonkel hat eine DVD mit Musik zusammengestellt, die wir dann noch gehört haben - es waren diesmal auch zwei Weihnachtslieder dabei. Bei einigen Musikvideos blinkte oben in der linken Ecke ein kleines ZDF-Logo - da musste ich doch ein wenig schmunzeln. Anders als in Deutschland wird hier zu Weihnachten nichts verschenkt, was ich aber auch nicht wirklich vermisst habe.

Gruppenbild
In Paraguay ist ausschließlich der 25.12. Weihnachtsfeiertag, den wir mit der Familie schlafend und essend zu Hause verbracht haben, nachdem wir morgens alle zusammen mit dem Auto durch die Stadt gefahren sind, um am Strassenrand eine Zeitung zu kaufen. An diesem Tag habe ich den Familientrubel und die Feierlichkeiten aus Deutschland doch sehr vermisst. Wir haben aber mit meiner deutschen und paraguayischen Familie zusammen geskypt, was trotz Sprach- und Internetproblemen sehr schön war. Außerdem war mein Gastvater an diesem Tag zu Hause, sodass wir den Tag tatsächlich als komplette Familie verbracht haben.
Was mich an Heiligabend dagegen überrascht hat, war, dass selbst einige langjährige Ehepaare diesen Tag getrennt von einander verbringen, da jeder seine respektive Familie besucht. 

Zu Silvester haben wir mit meinen drei Gastschwestern und meiner Gastmutter sowie der Familie, die schon Weihnachten bei uns war, einen kurztrip nach Encarnación unternommen, einer Stadt im Süden Paraguays, etwa 350 km bzw. sechs Stunden Autofahrt entfernt. In einem, wie ich fand, ziemlich schicken Hotel mit Findet Nemo-gestaltetem Zimmer haben wir dann eine Nacht verbracht, morgens sehr ausgiebig gefrühstückt und sind anschließend wieder mal ordentlich Essen einkaufen gegangen.

Sonnenuntergang über den Dächern von Encarnación
Den Rest des Tages sowie das Neujahrsfest haben wir dann bei einer befreundeten Familie in Fram, etwa 30km von Encarnación entfernt, verbracht. Die Stadt selbst ist total ruhig, wo mir, wie auch bei den Wochenenden in Carapeguá wieder bewusst geworden ist, dass ich es doch vermisse, morgens aufzustehen und mal kein lautes Gehupe, Kindergeschrei, kläffende Hunde oder "Chipa so'o, chipa almidón" aus einem Autolautsprecher zu hören, sondern einfach mal nur Vogelgezwitscher.


Das asado von Silvester

Früchte gab es auch
Entsprechend ruhig haben wir auch Silvester verbracht, wieder tagsüber gekocht, Fernsehen geschaut und geschlafen. Abends um kurz nach acht dann kurz mit meinen Eltern in Deutschland telefoniert, wieder mit der halben Familie, um ein frohes Neues zu wünschen, sich etwas Weißes angezogen (Weihnachten wird dagegen in rot gefeiert) und draußen auf Mitternacht gewartet. Als es dann soweit war, haben wir uns wieder umarmt und Feliz Año Nuevo gewünscht. (Dass ich so betone, dass sich umarmt wird, liegt daran, dass das, was in Deutschland eine Umarmung ist, hier zwei Küsschen auf die Wange sind und umgekehrt, dementsprechend selten wird sich bei mir in der Familie umarmt (mit Ausnahme meiner kleinen Gastschwester, die macht das zum Glück sehr häufig), was mir manchmal sehr fehlt, wenn es dann aber doch passiert, das Gefühl gibt, wirklich Teil der Familie zu sein.


Im Gegensatz zu Weihnachten haben wir dieses Mal auch selbst ein paar Raketen angezündet, für die Kinder gab es Wunderkerzen und Knallerbsen.
Später saßen wir noch mit Getränken zusammen und haben gequatscht - gegen zwei Uhr morgens bin ich dann aber auch ins Bett gegangen, es gab aber auch Leute, die noch bis sechs Uhr morgens draußen gesessen haben und am nächsten Tag dementsprechend müde waren.

Feuerwerk mit Palmen

Freitag, 26. Januar 2018

Monat 4 und 5

Erstmal eine Entschuldigung für die lange Schreibpause - hier der Artikel zu November und Dezember, der Eintrag über die Feiertage sowie den Januar sind aber auch schon in Arbeit.

Der November war relativ unspektakulär, ich war im Theater, zum ersten Mal in Paraguay in einer Disco, aber gerade in der Vorweihnachtszeit ist dann doch relativ viel passiert.

Traditionell beginnt die Weihnachtszeit hier erst am 09.12., manche Familien schmücken aber auch schon vorher ihre Häuser mit bunten Lichtern.

Am 08.12. ist nämlich der Feiertag Día de la Virgen de Caacupé (Tag der heiligen Jungfrau von Caacupé), der abgewartet wird, bevor dann die Weihnachtsvorbereitungen beginnen.

"Ka'a kupe" ist Guaraní und bedeutet soviel wie "hinter dem Baum". Dies geht auf eine Legende zurück, in der ein junger Mann in einem Wald von Jägern verfolgt wird. In seiner Not fleht er die heilige Jungfrau um Hilfe an, die sich hinter einem Baum versteckt hat - nur weil der junge Mann an sie glaubt, kann er sie sehen und sie ihm helfen.
Die Basilica von Caacupé
(Foto: Johanna)
Gerade in meiner Gastfamilie wird dieser Jungfrau eine sehr große Bedeutung beigemessen, insgesamt bedeutet diese Heilige in Paraguay und besonders in der Stadt Caacupé sehr viel. Fast einen Monat vorher mussten wir unsere Besuche in Caacupé, die wir sonst immer mit der Arbeit machen, einstellen, da die Menschenmassen, die sich zu dieser Zeit in der Stadt versammeln, einfach viel zu groß sind, um bis zum Centro Tecnológico zu kommen.
Bereits neun Tage vor dem 08.12. beginnt die novena der Virgen, indem täglich um 07.00 Uhr vor der Basilica in Caacupé eine Messe gelesen wird, die wir zu Hause beim Frühstück im Fernsehen mitverfolgt haben.
Am 08.12. (aufgrund des Menschenandrangs machen viele Leute es aber auch einfach ein paar Tage vor- oder nachher) pilgert man dann traditionell zu Fuß nach Caacupé. Mit vier Mitfreiwilligen haben wir das mitgemacht und es war auf jeden Fall eines der schönsten Erlebnisse meines Freiwilligendienstes bisher. Gestartet sind wir etwa um 00.30 Uhr nachts und sind pünktlich um 07.00 Uhr vor der Kirche angekommen. Tagsüber unterwegs zu sein wäre aufgrund der Sonne und der Temperaturen einfach nicht möglich, allerdings gibt es auch Leute, die das machen. Und obwohl es ziemlich anstrengend war, ist es einfach unglaublich beflügelnd, sich an der Seite von hunderten Menschen auf so einen Weg machen, zu hören, wie Kirchengruppen unterwegs singen, die unzähligen Chipa- und Essensstände am Wegesrand zu sehen und dann zum Sonnenaufgang die Hügel vor Caacupé zu erklimmen. Zum Feiertag wurden sogar extra die Hauptstraßen gesperrt, sodass man den ganzen Weg ganz bequem auf der Straße laufen konnte.

Unterwegs
Foto: Johanna

Angekommen!
(Foto:Thorge)

Man hatte wirklich das Gefühl, die Gesamtbevölkerung Paraguays befand sich an diesem Tag in Caacupé
(Foto: Johanna)


Pünktlich am 09. haben wir dann mit der Familie den Weihnachtsbaum aus Plastik aufgestellt und ganz in weiß und silber, aber mit bunter Lichterkette geschmückt... und den Swimmingpool aufgebaut. Das war definitv das erste Mal in meinem Leben, dass ich diese beiden Sachen am selben Tag gemacht habe.

Árbol de Navidad

Santiago Peña und Mario "Marito" Abdo
(Foto: lanacion.com.py)
Am 19.12. waren die elecciones internas (Präsidentschaftsvorwahlen) der zwei großen Parteien Paraguays. Bei der Colorado-Partei hat sich meine anfängliche Prognose (von der ich aufgrund dessen, was in den Medien berichtet wurde und ich in Gesprächen gehört habe, auch voll überzeugt war, bis dann die Ergebnisse bekannt geworden sind), als falsch herausgestellt. Santiago Peña, der Kandidat des noch-Präsidenten Horacio Cartes, der vor allem von der jungen Bevölkerung unterstützt wurde, hat sich nicht durchgesetzt. Stattdessen gewonnen hat Mario Abdo ("Marito"), der im Vorwahlkampf die konservativere Seite vertreten hat und eher von der älteren Generation unterstützt wurde. Paraguay wurde über dreißig Jahre lang (1954 - 1989) von Alfredo Stroessner in einer Diktatur regiert. Mario Abdo ist der Sohn des ehemaligen Staatssekretärs und damit engstem Vertrauten Stroessners, weshalb unter vielen Abdo-Kritikern die Angst herrscht, Mario Abdo würde als möglicher Präsident die Ideologie seines Vaters wieder durchzusetzen versuchen, was auch dadurch verstärkt wird, dass Abdo sich nie öffentlich von Taten und Ideologie seines Vaters distanziert hat. 
Das Problem ist, dass der Kandidat der Liberalen auch keine vernünftige Alternative darstellt. Zwar vertritt er eine andere Grundeinstellung, steht aber immernoch keine zufriedenstellende Übersicht gegeben, was er als Präsident denn wirklich verändern würde.  
Im April wird dann gewählt - es bleibt also spannend.